Wie kam es zu meiner Diagnose Zöliakie?
Jede*r hat seine eigene Geschichte und jede*r hat bestimmt schon eine schlimme Zeit und Stress durchlebt, um endlich durch die Diagnose Zöliakie bzw. Sprue die Gewissheit zu bekommen.
Bei mir war es so, dass ich nach einer OP Verdauungsprobleme hatte, die sich auch über Monate nicht bessern wollten, sondern sich immer weiter verschlechtern. Es kostete mich einiges an Hartnäckigkeit meine Ärzte zu überzeugen, dem Ursprung auf den Grund zu gehen und es nicht als Nachwirkungen der OP abzutun. Erst als es nach einem Jahr noch nicht besser war, wurde ein Laktoseintoleranz-Test durchgeführt. Dafür musste ich reine Laktose zu mir nehmen und dann wurde im regelmäßigen Abstand der Laktatwert im Blutzucker getestet. Es stellt sich heraus, dass ich eine partielle Laktoseintoleranz habe. Daraufhin kam meine erste Ernährungs-Umstellung.
Eine Zeit lang wurde es auch etwas besser. Dies hielt aber nur kurz an.
Ich ging wieder zum Arzt und machte noch einen Fruktosetest. Der fiel negativ aus und daraufhin bekam ich dann die Diagnose Reiz-Darm-Syndrom. Die einzige Behandlung ist die Behandlung der Symptome und weniger Stress. Naja, das habe ich dann nicht akzeptieren wollen.
Ich verlangte also, dass weiter getestet wird. Ich wurde daraufhin vom Arzt gefragt, ob ich mich überhaupt an die laktosefreie Ernährung halte. Die Frage empfand ich als Beleidigung, da ich mich sehr strickt dran hielt.
Durch eigene Recherche erfuhr ich, dass teilweise auch auf Zöliakie oder Histaminintoleranz getestet wird, wenn Probleme, wie meine vorliegen. Somit wollte ich diese Tests auch noch durchführen. Ich brauchte viel Energie und Hartnäckigkeit einen Antikörper-Bluttest für Zöliakie zu bekommen, da meine Ärzte damals nicht glaubten, dass Zöliakie in Frage kommt.
Zu dem Zeitpunkt lebte ich mittlerweile schon fast zwei Jahre mit Beschwerden. Als das Testergebnis da war, meinte die Ärztin, es sei positiv und ich müsse noch eine Biopsie durchführen, um zu sehen, ob die Zöliakie auch durch abgenutzte Darmzotten bestätigt werden könne. Sie glaubte weiterhin nicht, dass dies der Fall sei. Daraufhin wechselte ich innerhalb der Facharztpraxis meine Ärztin und ließ die Biopsie durchführen. Kurz danach bekam ich die doppelt positive Diagnose. Es ist Zöliakie!
Was änderte sich nach der Diagnose Zöliakie?
Meine neue Ärztin verschrieb mir mind. drei Sitzungen mit einer Ernährungsberaterin. Die waren super, mir wurde erklärt was Zöliakie ist, was es bedeutet und worauf ich achten muss. Damals wohnte ich in einer WG und die Ernährungsberaterin gab mir Hilf-Zettel für das WG-Leben. Leider sagte mein einer Mitbewohner, ich solle mich nicht so anstellen und verteilte in der ganzen Küche Glutenspuren, sodass ich mir neue Töpfe, Teller etc. kaufte und diese dann in meinem Zimmer lagerte. Auf die Dauer nervte mich das aber, sodass ich mir eine eigene Wohnung suchte.
Als ich in die neue eigene Wohnung einzog, kaufte ich mir alle Geräte, die oft Gluten berühren (z.B. Backform, Handrührgerät) neu und desinfizierte alles andere, was schon mal Gluten berührt hatte, da mir in den Ernährungsberatungs-Sitzung gesagt wurde, dass Gluten nur durch Alkohol weggeht.
Als das erledigt war, wurde danach ein Gluten-Verbot für meine eigene Wohnung erstellt. Vielleicht etwas strikt, aber wenn Freunde zu besuch kamen und sie beispielsweise ein Teigteilchen in ihrer Tasche hatten, musste die Tasche beim Eingang bleiben und es durfte auch nicht in meiner Wohnung gegessen werden. Oder wenn wir feierten, sorgte ich für glutenfreies Bier oder Wein, da ich auch kein flüssiges Gluten in der Wohnung haben wollte.
Meine Wohnung wurde zu einer glutenfreien Oase.
Ganz am Anfang benutzte ich noch die Bücher von der DZG zum einkaufen. Aber das dauerte immer ewig und war sehr umständlich, dass meine Ernährungsberaterin mir eine Liste schrieb, worauf ich bei den Zutaten achten solle und wann ich was nicht kaufen sollte. Das ging dann schon besser, aber natürlich wurde ich dadurch etwas markentreu, da ich bei gewissen Marken wusste, dass sie glutenfrei sind und somit das Einkaufen schneller ging.
Beim Familienbesuch wurde für mich dann neue Marmeladegläser etc. geöffnet bzw. alles nur noch mit einem Löffel aus dem Glas genommen und mit Abstand zum Gluten runter geschüttelt. Ganz am Anfang benötigten wir fast alle Löffel aus dem Besteckkasten, da der Abstand immer wieder vergessen wurde und somit der Löffel kontaminiert war.
Damals gab es noch nicht die EU-Lebensmittelinformationsverordnung laut der die Allergene gekennzeichnet sein müssen. Da leider oft auch die Köche in Restaurants nicht genau sagen konnten, ob sie etwas doch mit glutenhaltiger Stärke angedickt haben oder es doch auf dem Brotbrett geschnitten wurde etc. konnte ich direkt nach der Diagnose eigentlich gar nicht auswärts Essengehen und wurde daraufhin auch von einigen vermeintlichen Freunden nicht mehr gefragt, wenn sie essen gingen. Wurde missverstanden, weil ich die überteuerten glutenfreien Produkte nicht immer teilen wollte. Aber hey, ich war Studentin und damals gab es nicht überall (auch heute noch nicht) an jeder Ecke die Möglichkeit etwas zu Essen zu finden.
Stell dich nicht so an!
Du willst nur im Mittelpunkt stehen!
Wenn ich dann einen glutenfreien Muffin fand, einen überteuerten Preis zahlte und dann alle neugierigen Freunde jedesmal probieren wollten, wie ein glutenfreier Muffin schmeckt, teilweise mit ihrer kontaminierten Gabel in meinen Muffin rein piksen wollten, sagt ich schonmal laut „Stop“ oder hilt die Hand mit der kontaminierten Gabel fest oder sagte einfach nein und dass sie ein andermal probieren könnten. Ich versuchte es zu erklären, warum ich so handle, aber oft wurde ich als zu übertrieben abgestempelt oder dass ich nur im Mittelpunkt stehen will und eine Extrawurst haben möchte, da ich erst Laktoseintolerant und dann plötzlich Glutenintolerant bin, was als nächstes kommen würde. Wenn ich erklärte, dass ich beides habe und dass die Diagnose schwer ist und teilweise länger dauert, dass dann mal was hinzu kommt oder durch eine glutenfreie Ernährung andere Intoleranzen besser werden können, wollten einige nicht verstehen.
Was ist positiv an der Diagnose?
Als positiv bewerte ich einerseits, dass ich nun weiß, wer wirklich meine Freunde sind. Wer mir zum Geburtstag einen glutenfreien Kuchen backt und dann bei der Übergabe noch hinzufügt „Ich habe sogar die Schale und Backform vorher desinfiziert“ oder wer damals bei WG-Feiern drauf achtete, dass es etwas Glutenfreies gibt oder Glutenfreies weit weg vom glutenhaltigen Essen hinstellte. Wer mich trotzdem noch zu gemeinsamen Essen in Restaurants einlud und vorab fragte, wo ich essen kann bzw. selbst in Restaurant anrief und nachfragte. Wer verstand, dass ich ganz und gar nicht die Extrawurst sein will, dass mir das eher unangenehm ist.
Zudem habe ich gelernt auch die kleinen Dinge im Leben wertzuschätzen. Wenn ich etwas entdecke, was ich noch nie oder seit langem nicht mehr essen konnte, bin ich absolut happy. Die Glücksgefühle halten dann meistens auch mehrere Stunden, teilweise sogar Tage an.
Ich habe gelernt zu genießen. Wenn ich dann bspw. ein Eis in glutenfreier Eiswaffel bekomme, ist alles um mich herum egal. Ich genieße schleckend mein Eis, die Zeit, den Tag oder ich traue mich in einer glutenfreien Bäckerei zu sagen „einmal alles bitte“.
Ich habe gelernt, in mich zu investieren, auf meinen Körper zu hören und mehr Wert auf qualitativ gute Lebensmittel zu legen.
Des Weiteren bin ich viel besser im Kochen und Backen geworden. Traue mich auch schwierigere Rezepte auszuprobieren.
Kurz gesagt, der Weg zur Diagnose und die erste Zeit danach kann schwer sein. Aber es ist nicht alles schlecht an einer gezwungenen glutenfreien Ernährung aufgrund von einer Zöliakie Diagnose.